Die Fülle des Lebens

im-wasser-traeumen-lt

Ich träumte, dass mir gegenüber die Fülle des Lebens existierte. Ich sah sie und spürte sie. Sie war lieblich, anmutig, wohlgeformt, wunderbar geordnet, klar, tief, weise, freundlich. Sie war ein Gebilde von einfacher Struktur, aber großer Fülle.

Ich dachte: »So einfach ist das Leben also«. Ich empfand mich dazu in der Lage, das Leben – so mir gegeben – anderen verständlich zu erklären. Ich konnte im nächsten Schritt sogar ein noch einfacheres Gebilde ableiten, von dem ich sicher war, dass ich es allen verständlich machen kann. Das einzige, was ich benötigte, war ein Drucker, um es auszudrucken. Als ich dann zunehmend erwachte, wurde mir zunehmend bewusst, dass ich nichts würde ausdrucken können. Aber die Überzeugung, es trotzdem verstanden zu haben und erklären zu können, und die Freude an der Schönheit des Lebensnetzes blieben mir erhalten bis in den Tag hinein. Bis jetzt.

Das Netz des Lebens ist das Geheimnis, dass alles verbunden ist und zusammengehört. Alles ist gut, auch wenn es nicht gut erscheint. Es zu nehmen und zu leben ist unser Leben. Was immer kommt zu bejahen und darin die Liebe zu finden. Liebe, Licht, Farbe, Schönheit, Glanz, Fülle, Harmonie, Ruhe, Zärtlichkeit, Umarmung, Tanz, Lächeln, Duft, Wellen, Rundungen, Süße, Multidimensionalität, Tiefe, Glück, Entzücken, Verständnis, Berührung, Wölbung, Schlichtheit, Bescheidenheit, Güte und Heimat, all das waren Elemente dieses Lebensnetzes, das mich beglückte und anlächelte – für alle. Es sagte mir, dass man es einfach nur leben müsse, einfach leben. Sein. Und dankbar sein.

Mir nicht sichtbar, aber für mich fühlbar und mir noch näher als das Lebensnetz war das Zentrum desselben, die Mutter, das Heim – nicht so sehr der Ursprung, das Zuhause eher. Und das war der jüdische Glaube. Nicht im orthodoxen Sinne. Es war das Gefühl des Aufgehobenseins und der Liebe, die ein Rabbi auslöst, der alle, Männer, Frauen und Kinder, gleichermaßen liebt, es war das Chassidische, es war die Demut Gott und der Welt gegenüber, das Alleinsein wie auch das Verbundensein. Die Wärme. Das Licht und die Dunkelheit. Der Rückhalt. Der Glaube.

[Foto: Linda Troeller, www.lindatroeller.com]