Mittelalter und frühe Neuzeit in Europa sind dadurch geprägt, dass Strukturen geschaffen wurden, an die sich alle zu halten haben. Mit der französischen Revolution verbreitete sich die Idee, dass es allgemein verbindliche Regeln für alle geben sollte, noch schneller. Bisher bestehende Privilegien werden infrage gestellt – auch die Privilegien der Kirche. Dieser Prozess des Infragestellens bestehender Privilegien inclusive bestehenden Eigentums verbreitete sich in der ganzen Welt und ist noch immer in vollem Gange. Das Recht auf bestehendes Eigentum wurde und wird bestimmten Bevölkerungsgruppen aufgrund ihrer religiösen, politischen, kulturellen oder ethnischen bzw. nationalen Zugehörigkeit abgesprochen, was die Umverteilung derselben möglich macht.
Die Gegenbewegung dazu ist die Durchsetzung der bürgerlichen Rechte, eines Gesetzbuches für alle Bürger, das Freiheit, Gleichheit und Solidarität durch allgemeinverbindliche Regeln durchsetzt und durch ein unabhängiges Parlament geschaffen, durch unabhängige Richter verteidigt, entwickelt und verbessert und durch einen unabhängigen Strafapparat (Polizei) durchgesetzt wird. Die Erschaffung, Entwicklung und Durchsetzung eines solchen rechtsstaatlichen Systems kostet viel Zeit, Kraft und ist meist noch mit viel Blutvergießen verbunden. Aus heutiger Sicht in Deutschland kann ich sagen, dass sich das jedoch lohnt, da nur so jeder einzelne Bürger eines Staates in seinen Rechten sicher ist.
Das größte Hindernis bei der Durchsetzung einer allgemeinen demokratischen Rechtsverfassung mit dazugehöriger Einhaltung ihrer Regeln sind die Gruppen, die dadurch ihre Privilegien verlieren. In der Regel kämpfen sie – je privilegierter, desto heftiger – für die Aufrechterhaltung ihrer Privilegien – oft mit dem Risiko von Krieg und Bürgerkrieg. Sie sind es gewohnt, sich selbst wichtiger als die Allgemeinheit zu nehmen – also sehen sie die Aufrechterhaltung ihrer Privilegien auch als wichtiger an als die Sicherheit oder Zufriedenheit oder Gleichberechtigung der Allgemeinheit. Dazu bedienen sie sich der verschiedensten Ideologien, Theorien und Gebote/Verbote, die sie ihrer sozialen, politischen oder religiösen Gruppe bzw. Anhängerschaft durch Schulung und andere Maßnahmen indoktrinieren bzw. diese um sich versammeln.
Ein Gegenprozess dazu ist die Individualisierung. War noch in der Zeit der bürgerlichen Revolution und danach die Entdeckung der Nation, der Zusammengehörigkeit aufgrund gemeinsamer Abstammung und/oder gemeinsamen Territoriums ein Punkt der Sammlung und Identifikation, so ist nach zwei verheerenden Weltkriegen, die dadurch entfesselt wurden, die Grundlage für ein zunehmendes Verständnis für Volk und Raum und eigene Volkszugehörigkeit geschaffen worden. Die Welt ist größtenteils aufgeteilt.
Nun geht es darum, ein individuelles Verständnis für die eigene Zugehörigkeit zu finden. Diese setzt sich aus historischen, nationalen, politischen, kulturellen und familiären Bestandteilen zusammen. Nicht für jedes Individuum ist dies einfach, da jeder einzelne Mensch aus zwei Familien stammt, der Vater- und der Mutterfamilie.
Dies ist nicht alles, was dem einzelnen als Herausforderung heute gegenübersteht. Durch die Globalisierung und die Medien sind viele Ethnien, Kulturen, Sicht- und Denkweisen sowie Traditionen über die Welt verteilt und stehen nebeneinander, für alle bzw. die meisten sichtbar und vielfach vollständig voneinander unterschiedlich. Für welche Lebensweise soll sich der/die einzelne hier entscheiden? Einfach nur das zu tun, was die eigene Familie immer getan hat – und hier auch welche, die väterliche oder die mütterliche – scheint vielen nicht von vorneherein für sie zwingend. Wenn dieser Zwang entfällt, fordert es jedoch die Herausbildung einer eigenen Sicht- und Denkweise, einer individuellen Identifikation ganz eigener Prägung. Diese kann vollständig nur von dem Individuum verstanden werden und muss von ihm/ihr ständig gegenüber dem eigenen Selbst wie dem anderer gerechtfertigt, erklärt und verteidigt werden – gegen die anderen konkurrierenden Sichtweisen. Oft bewirkt dies enormen Stress.
Die beschriebenen Umwälzungen stell(t)en auch die Privilegien der Religion infrage. Zum einen können die bürgerlichen Gesetze manchen Geboten der Religion widersprechen, was individuelle, politische, juristische und soziale Konflikte bewirkt. Zum zweiten können Vorgaben der Religion den Interessen des einzelnen Religionszugehörigen widersprechen, was diesem in einem freiheitlichen Rechtssystem die Wahl zwischen der religiösen Vorgabe und dem eigenen Interesse gibt – ein oft auch nicht schmerzfreier Prozess. Zum dritten beanspruchen manche Religionen das Primat ihrer Gebote und Verbote vor allen anderen Ansprüchen und Orientierungen, was enormen Stress für den einzelnen, die soziale Gruppe sowie Gesellschaft und Nation bewirkt.
Alle soeben beschriebenen konfliktreichen Prozesse laufen nebeneinander ab. Manche Individuen und Gruppen sind sogar mehreren dieser Konflikte gleichzeitig unterworfen, denen sich für den einzelnen noch Konflikte mit der sozialen, familiären, beruflichen und Geschlechterrolle hinzugesellen können. Akzeptanz und Toleranz sind das Gebot der nächsten Jahrzehnte, um sie friedlich durchleben zu können und den Menschen eine möglichst hohe Lebensqualität zu ermöglichen.
Akzeptanz und Toleranz sind genau diese Qualitäten, die in der Menschheitsgeschichte im Umgang mit anderen Lebenswelten für Frieden sorgten. Fehlten sie, gab es Gewalt und Krieg. Wie also können sie stabil gesichert werden? So viel ist sicher: Basis ist ein allgemein verbindliches Rechtssystem, das für alle gilt und alle repräsentiert, das für alle demokratisch nutzbar ist, d. h. auch für Arme und Schwache Rechtsschutz gewährt, und das unbestechlich und objektiv urteilt, das weder Politik noch Religion in seiner Ausübung unterworfen ist und dessen Amtsträger in Leben, Sicherheit und Einkommen vom Staat geschützt werden. Sicher ist auch: jeder, der dieses Rechtssystem bekämpft, muss dieser Freiheit beraubt werden.
Das Verständnis für die Notwendigkeit der Entfaltung eines solchen demokratischen Rechtssystems über die ganze Welt wird immer größer und verbreitet sich global – und jetzt sind wir an der Stelle angelangt, an der diese Abhandlung begann: starke, privilegierte Interessensgruppen widersetzen sich diesem Prozess, und vielfach verhindert ihr Widerstand den sozialen, vielleicht sogar den Weltfrieden. Was tun?
Es gibt geschichtliche Erfahrungen: dass diese Gruppen vielfach vor nichts zurückschrecken: Mord, Raub, Bestechung, Lüge, Erpressung, Propaganda sind bewährte Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen. Je größer die Privilegien waren oder sind, desto stärker ist meist der Widerstand gegen deren Verlust, auch wenn der Verlust demokratisch legitimiert ist bzw. wäre. Ein allgemein verbindlicher gesellschaftlicher Kodex auf universellen Prinzipien kann in dem Prozess der Umwälzung hin zu einer Gesellschaft der individuellen und kollektiven verbindlichen Verantwortung helfen. Oberstes Gebot ist dabei der Schutz jedes einzelnen Menschenlebens und die Ächtung jeglicher Form von Gewalt, die nicht juristisch legitimiert ist und von dafür autorisierten Institutionen durchgeführt wird. Ein weiteres Prinzip ist die Ächtung jeglicher staatlicher Handlung, die auf Krieg oder gewaltsame Durchsetzung staatlicher Interessen ohne demokratische Legitimation hinausläuft. Teil dieser demokratischen Legitimation muss die Einbeziehung der UNO sein. Genauso wenig, wie der Staat die Polizei ohne ein Gerichtsurteil zur Aktion bringen kann, sollte der Staat die Armee nicht ohne jeweilige demokratische Legitimation auch im Einzelfall einsetzen können. Dies dient dem Schutz der Weltsicherheit.
Die Durchsetzung globaler bzw. weltweit verbindlicher Grundsätze ist notwendig, um schnell die nötigen nächsten Entwicklungsschritte zur Sicherung des bisher weltweit Erreichten und zum Erhalt des Welterbes zu erreichen.
Ein weiterer wichtiger globaler Grundsatz ist der von Prävention und Rehabilitation in allen Gesellschaftsbereichen. Dies erfordert nationale Gesetzesänderungen und internationale Zusammenarbeit, um den Prozess schnell und erfolgreich zu gestalten, und ein anderes Denken nach anderen Einstellungen ist nötig, wofür die Strukturen in der Bildungspolitik geschaffen werden müssen.
Schließlich ist es die Anwendung des Prinzips von Toleranz und Akzeptanz als gesellschaftliche Maxime, die dazugehört, einhergehend mit beschriebenem Schutz der individuellen Rechte jedes einzelnen.
Das Recht auf Bildung und Schutz des Lebens gehört dazu, abgesichert durch internationale Zusammenarbeit und Solidarität in all diesen Bereichen, um diese Ziele schnell zu erreichen.
Diese Prinzipien gewähren eine gute Grundlage zur nationalen und internationalen Zusammenarbeit aller.
2010